
Aufstehen
Wenn du morgens aufwachst, welches Körperteil spürst du als Erstes,…
Oft beneide ich meine Hündin um ihren entspannten Umgang mit dem eigenen Körper. Sie macht sich nie Gedanken, wie er gerade aussieht, ob hier oder da vielleicht eine Falte so komisch fällt, wenn sie den Kopf senkt, ob man die Röllchen am Bauch sieht, sie denkt nie über Narben nach oder Dehnungsstreifen oder trockene Haut. Ihr Wertesystem ist ein komplett anderes als das der meisten von uns, ganz anders als mein Erlerntes, ihr ist wichtig, dass der Körper stark ist und sie trägt, dass er zum Kaninchen jagen taugt und man gut an die Stellen dran kommt, die unbedingt gekrault werden müssen – die Achselhöhle, der Bauch, die Stelle hinterm Ohr und rechts am Nacken, da ganz besonders. Ihr ist wichtig, dass der Magen voll ist und hier und da ein Speckröllchen hervorlunst, weil ganz ehrlich, man weiß ja nie. Je mehr Speckröllchen, umso mehr Platz zum Kratzen und Kraulen und Liebhaben, sie legt sich auf den Rücken und präsentiert mir ihren kleinen altersbedingten Hängebauch mit den Hängezitzen und schaut mich an, als wolle sie mir sagen: „Na, gefällt dir was du siehst? Dann würde ich an deiner Stelle jetzt mal schön da kratzen, ganz fest, mit Nägeln!“, und das mache ich natürlich, klar, während ich meine 9 feinen Dehnungsstreifen am rechten und die 7 am linken Oberschenkel betrachte, meine Schwabbelstellen betrachte und denke: Naja, was soll’s, eh ok.
Jasmin Schreiber ist ursprünglich Biologin, mittlerweile Autorin und lebt in Frankfurt am Main inmitten hunderter Zimmerpflanzen und unerhört vielen Tierarten.
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